Dienstag, 1. Mai 2018

la bande originale


Ich muss mich erinnern. Ich habe angst zu vergessen, wenn ich keine Fotos oder Notizen mache. Jede Sekunde geht ein kleines Teil von mir verloren. Verbindungen lösen sich. Ich sitze an meinem Lieblingsteich und beobachte gigantische urzeitliche Karpfen. Sie sind älter als ich, älter als diese Stadt. Ihre Welt ist unvergänglich, und meine geht jeden Tag unter und wird neu erschaffen. Ich gebe viel. Ist es das wert? Wer weiß das schon.Jeder weiß nur: man kann und darf nicht nein sagen. Man muss dem einen Sinn geben, um es ertragen zu können, um weiterzumachen. Doch am schönsten ist die Leere und die Stille ganz ohne unseres Dazudenken. Das Leben wird zweckentfremdet und niemand wehrt sich. Bedauerlich, wer das Sehen nicht gelernt hat. Wie viel willst Du wahrnehmen? Drum herum, draußen und drinnen.

 

kind mit der klaren stirne du



danke, hab deine karte gestern bekommen! wollte auch direkt lesen, es war dunkel, aber da kam ein auto aus der ausahrt und wollte wenden, also las ich im scheinwerferlicht. der fahrer sah das und hielt an und wartete bis ich fertig war. dann hab ich gewunken und er ist weitergefahren.




...wie es sich herausgesellt hat, war es doch überhaupt kein problem! kaum hatte ich die augen zu, schon fing ich an stimmen zu hören. und so habe ich 8 stunden lang geschlafen ohne eine einzige störung, so dass ich jetzt wieder topfit bin! es war allerdings wie immer (noch) etwas merkwürdig aus dem fenster zu sehen und nicht zu wissen welcher tag und welche uhrzeit grad ist... trotz allem war es erholsam, ohne jede spur von kopfschmerzen. das letzte, woran ich mich erinnere: ein großes haus, wie ein palast, aber mit innenräumen wie im pferdestall oder abstellkammer. und dann die  strasse: eine stadt wie im mittelalter. ein kleines mädchen in lumpen und mit haaren durcheinander, das seine mutter vermisst, sitzt auf einem kaputen wagen, hält ein weißes kätzchen ins tuch eingewicket und ruft: "wer möchte ein jüdisches kätzchen? nicht teuer!"
... ich glaub ich fange jetzt schon an die sachen zu packen und räume das bettzeug weg, damit es morgen erst gar nicht zur debatte steht, ob ich mich kurz mal eben hinlege..
 
 
 
Ich hatte einen merkwürdigen traum. Ein patient ist vor meinen augen zusammengebrochen: herzstillstand. Ich fing an zu reanimieren. Weil er ein großer kräftiger mann war, musste ich mich mit meinem ganzen körpergewicht auf ihn schmeißen um seinen brustkorb reinzudrucken. Doch schon nach kurzer zeit war er wieder da, hat gehustet und augen aufgemacht. Als ich erleichtert die ärztin anrufen wollte, hatte die keine zeit für mich. Ein paar stunden später lief der patient über den flur als wäre gar nichts passiert. Und dann kam plötzlich eine ganze armada in weiß und man wollte ihn in eine kardiologische spazialklinik nach London (!) schicken. Ich fragte mich ob der patient überhaupt englisch versteht und dann fiel mir ein, dass er früher in einer band gespielt hat und lieder auf englisch gesungen...
Dann erinnerte ich mich an einen anderen, apalliker, bei dem im zimmer ganzen tag lang heavy metal lief. ich fragte wieso, weil es mir furchtbar schwer fiel, bei dieser musik zu arbeiten, und man sagte mir, er sei ein ziemlich berühmter rocker gewesen, und dies sei sein werk.
 
 
ich wusste dass ein engel kommt und mich zudeckt
 

heute bin ich gedämpft, wie in watte gepackt. alle empfindungen sind angenehm dezent, was ich nicht wahrnehmen will, kann ich ganz leicht ignorieren. der perfekte zustand, nichts stört. das ist keine bleierne müdigkeit, die einen ins bett zwingt. das ist ein schützender kokon in dem man sich perfekt konzentrieren und den kopf arbeiten lassen kann.

  
 



morphinüberdosierung, kreislaufkollaps, im schlaf erbrochen und aspiriert, pneumonie, RöTho wie bei ener wasserleiche..
 

Es macht nicht süchtig, aber es macht etwas mit dir, was du immer wieder erleben willst. Papier kommt nicht aus der Mode.

 
 
 

 
< - Vom Weinen wirst du kein bisschen wirklicher. >
 
 
manchmal lohnt sich eine reanimation.
sie hat zu fuß das haus verlassen.
eine rea tut einem ganz gut.
 

 
ihr könnt natürlich auch reden, aber eigentlich fragt euch keiner.
 

Abends eine Doku und Nudeln. Kommunismus als Hype wie Hipstertattoos. Gefährlich sind die, die keiner Mode folgen, keine Logos tragen, nichts zeigen. Niemand interessiert sich für sie, aber sie interessieren sich für alles. Wir sind manipulative Biester. Wenn du meine Kleidung siehst, weißt du, was ich mit dir anstellen werde. Ich mag Menschen, die vernarrt sind in das, was sie tun. Alle anderen sind wie Gras. Ich werde von Menschen geliebt, die meine Liebe brauchen. So soll es sein. So läuft das.

 
 

 
 
verzeih liebes, ich habe erst erfahren, dass es dir so schlecht ging, dass du mitten in der nacht auf intensiv musstest. so was passiert immer nachts. nachts ist es immer am schlimmsten. aber du bist da nicht der einzige, falls es dich etwas tröstet. tagsüber glaubt man "mit beiden beinen im leben" zu stehen, wie man es hier so schön sagt, immer bodenständig und realitätsbezogen. und nachts wird einem plötzlich klar, dass man ja die ganze zeit nur versucht, der realität zu entkommen.
weißt du noch, wie R. immer sagte: - nachts erlebe ich die dunkle seite meines jobs. man fragte sie dann: - warumm denn die dunkle? - und vermutete schon das allerschlimmste.und sie sagte: - na weil es nacht ist!
 

 
auf dem tisch hatten wir brot, zwiebeln und salz. der tee ging aus, also brühten wir kirschzweige auf. ich  drückte  mich an den lauwarmen heizkörper und sah wie im haus gegenüber eine frau sich schminkte. ging sie aus oder ging sie zur arbeit? alle frauen hier sahen aus wie huren, aber das war in ordnung, das gehörte zur kultur. nachts schliefen wir vollbekleidet und wärmten uns gegenseitig. morgens lag ich allein im bett und sah  meinem atem zu, ich  hatte  überhaupt keinen grund das warme nest zu erlassen. wir hätten tage- und wochenlang im bett bleiben können, ja die ganze zeit, es hätte sich absolut nichts geändert, trotzdem legte sie viel wert darauf jeden morgen aufzustehen, ein bisschen gymnastik zu machen und sich in ordnung zu bringen. sie schien niemals aufgeben zu wollen, niemals sich hängen zu lassen... eine zeit lang verdiente sie etwas geld  indem sie irgendwelchen leuten half wohnungen zu renovieren. sie brachte tapetenreste mit, ich schnitt sie in kleinere stücke und zeichnete auf der weißen rückseite. 
 
 
 
 

 

 

 

 
 
man kommt sich so nah und dann ist man plötzlich wieder so fern.. wenn jemand aus deinem leben verschwindet - jemand, dem du früher alles erzählen wolltest und konnstet, und nun wechselt man nicht mal ein wort miteinander, man schweigt, und tut so, als gäbe es den anderen nicht, als hätte man sich nie gekannt.. gemeinsame geschichten werden ausradiert oder umgeschrieben, und erinnerungen verblassen schnell, wenn man sie nicht pflegt, gefühle und bedeutungen verlieren sich in der flut neuer ereignisse und erlebnisse, was früher unbeschreiblicher schmerz war ist heute nur ein wort, das man nicht einmal ausspricht - bald ist es ganz weg. und man freut sich darüber, man ist erleichtert...
 
 
 
sie saßen auf dem verwüsteten spielplatz und aßen butterbrote mit zucker. ein junge fand im sand eine münze und kaufte ein eis. seine besten kumpels durften genüsslich daran mitlecken. ein gutherziger streuner mit abgehacktem schwanz kam angehumpelt, doch er mochte kein gezuckertes brot.  
 

 
schweigsame parade der hochhäuser. bunt und eng, jedes von ihnen anders und doch alle zusammengehörig, vereint in heißem beton. fenster, balkone, mit wäsche behangen, mit insektennetz überzogen, verglast bei den reichen, mit gerümpel vollgestopft bei den armen...
kühle staubige treppen, verbogene, verstümmelte geländer. fremde türen in verschiedenste farben, frischen und abblätternden, aus  sperrholz so dünn wie pappe, aus massiver eiche mit verzierungen und ausschmückungen, mit lederimitat bezogen und gepolstert, mit stahlplatte verstärkt, geschweißte eisentüren, unnahbar, fast sakral. sie standen vor einer dieser türen wie häretiker vor einer kirche, klebten das guckloch mit dem kaugummi zu, klingelten und liefen weg. der aufzug brummte im schacht, die schiebetüren gingen auseinander, eine dicke frau erschien, rot und schwitzend, mit vollen einkaufstaschen. man begrüßte sich. - was macht ihr hier? wohnt ihr in diesem haus?  - nein, wir besuchen einen freund... die frau schaute skeptisch, sagte aber nichts weiter und ging zu ihrer wohnung. und sie schlüpften in den sich bereits schliessenden aufzug. 
 

 

 

 

der rhein ist wieder seicht und ruhig, das wasser bewegt sich kaum noch. enten machen nickerchen auf trockenem schlamm.
auf der dorfpromenade wird feierlich die neue grillsaison eröffnet, kühler wind und bedeckter himmel können hier keinem die laune verderben. ein rentnerpartyschiff mit lauter marschmusik zieht vorbei, als wollte da jemand  holland überfallen. in der campingsiedlung blüht das zusamenfaltbare leben. wohnwagenpennbrüder tronen auf klappstühlen und betrachten den fluß durch den maschendrahtzaun, auf klapptischen steht bier oder wein, an der leine zappelt bunte wäsche. abends setzen sie sich auf ihre hightech-drahtesel und fahren zur nächsten provinzflaniermeile. um sich unter das deutsche volk zu mischen ziehen sich meine muslimischen mitbürger besonders festlich an: frauen in weißen tüchern und kleidern, männer in dunklen anzügen mit kravatte und sonnenbrillen wie mafia. obwohl sie alle stinknormale langweilige jobs haben und auch sonst nur irgendwie dazugehören wollen, kommen sie den ureinwohnern noch sehr suspekt vor. diese - frischpansioniert und frischfrisiert - setzen sich in leere eiscafes und beobachten aufmerksam das geschehen. Camper studieren preislisten der cafes ohne von ihren bikes zu steigen. autos warten in zwei reihen auf die fähre. zum ewigen familienglück verdammte dorfpärchen flanieren händchenhaltend etwas konfus an den teuren feinkostläden vorbei.
so beginnt unser sommer. 
 
 

Montagsgemüt: Flugzeuge über uns, aus allen Richtungen, in alle Richtungen. Gleise auf der rechten Seite, Gleise auf der linken Seite. Autostraßen kreuz und quer. Frierende Menschen starren die Ampeln an. Dampfwölkchen vor ihren Gesichtern. Dampfwölkchen über den Kaffeebechern. Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen. Verqualmte Haltestelle. Essensreste für Mäuse. Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper. Kein Tag wiederholt sich, obwohl es so scheint. Aber nein, kein Tag passiert mir nochmal.

 

 
heute abend lief im radio ein hörspiel, das ich schon mal vor jahren gehört habe: Troll, eine liebesgeschichte. ich kann mich nicht erinnern, wann genau das war, aber ich meine, zu der zeit, als wir noch ganz neu hier in köln waren. wir waren schrecklich einsam in diesem komischen haus und das gegakker der nachbarn ging uns auf die nerven. sie pinnten uns fast jeden tag einen zettel an die tür, wo drauf stand, was wir schon wieder alles falsch gemacht haben. selbst der einzig nette kerl dort, ein alter türke, der mir einmal die tasche hochgetragen hat, meinte danach, er wär mein vater und wollte eines morgens wissen wieso und woher ich so spät in der nach nach hause kam - er hätte mich gehört... ich wollte allen zum trotz einen hund anschaffen, ich wollte auf niemanden hören, obwohl du natürlich recht hattest, aber zum glück bekam die hundebesitzerin auch ihre zweifel und wir blieben bei nagetieren. irgendwann fand ich endlich eine richtige wohnung und pünktlich zum umzug wurde ich krank. ich hatte fieber und konnte kaum noch aufrecht stehen, also rief ich dich heulend an und du bist gekommen und hast alles für mich gemacht.  
wie das alles einmal war...  noch verrückter ist, dass man sich an das schlechte nicht mehr erinnert. bzw man kann sich schon an bestimmte dinge erinnern, aber man empfindet sie nicht mehr als schlimm, so wie den höllischen schmerz beim zahnarzt damals (14) - aber ich weiß noch genau, dass im wartezimmer bei ihm der fernseher lief und es wurden snowboarder-clips gezeigt, wie sie eine vertikale schneewand entlang stürzen, und die musik dazu war einfach klasse ... ja, man erinnert sich nicht mehr an das geschrei, ans türenknallen, an die angst, an den dreck, man denkt nur noch, alles war gut. die zeit allein ist es wert, die zeit ist einfach teuer. du sagst, deine zeit läuft weg, meine läuft aber noch schneller. ich hoffe, du weißt, dass wir schon sehr bald wieder sommer haben. ich hab es nämlich gar nicht mitgekriegt. ich hoffe du gehst noch ab und zu raus, es riecht gut, wenn alles blüht.
 
 
 
fünf uhr morgens im krankenhausgarten: idylle schläft. irgendwo in der ferne klappern die nachttöpfe.  



Welche der folgenden Interpretationen ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen? Ich kann nicht. Ich will nicht. Ich werde nicht. Auf dem Weg von A nach B bemerke ich eine schwarze Katze unter der Bank sitzen. Auf dem Weg von B ach A sehe ich, dass sie immer noch dort sitzt. Ich bleibe stehen und spreche die Katze an, sie antwortet. Ich darf sie streicheln, sie reibt sich an meiner Jeans. Nicht jede Katze ist so verschmust, aber wenn, ist es ein Segen. Ihr dichtes Fell schluckt alle meine Ungedanken, ihr weicher Körper schmiegt sich an meine Hände, fließt seidig zwischen den Fingern, zwischen Neuronen und absorbiert mich wie einen Geruch. Ich werde mich mit der Luft vermischen. Ich will mich verbrauchen wie Sauerstoff. Ich kann mich immer wieder losmachen und alles sein, was ich will.